Wo bleibt die Agenda 2020?

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08年3月、2013 K�ln Stadt-Anzeiger

(Op-ed by Klaus F. Zimmermann)

Die Hartz-Gesetze sind auch zehn Jahre nach der Brandrede von Kanzler Schr�der umstritten � dabei br�uchten wir l�ngst eine Erg�nzung

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Deutschland im M�rz 2013: Zehn Jahre nach Gerhard Schr�ders ber�hmter Agenda-Rede �Mut zur Ver�nderung� sind wir selbstzufrieden geworden. Doch trotz der nur auf den ersten Blick positiven Kennziffern (Wirtschaftliches Wachstum, Arbeitsmarktentwicklung, Lage der �ffentlichen Haushalte und Sozialkassen) ist das so strahlend erscheinende �neue deutsche Wirtschaftswunder� keineswegs unverwundbar. Zu Recht hat die OECD k�rzlich in ihrer L�nderstudie �Going for Growth� davor gewarnt, dass Deutschland �reformm�de� geworden sei.

Solche Wertungen m�ssen uns wachr�tteln. Denn die Gefahr ist gro�, dass jetzt wieder viel verloren geht von jener Dynamik, die die �Agenda 2010� �ber das letzte Jahrzehnt entfesselt hat. Am 14. M�rz 2003 hatte Bundeskanzler Gerhard Schr�der f�r ein ver�ndertes Bewusstsein in der Arbeitsmarktpolitik geworben. Er forderte mehr Eigenverantwortung und mehr Eigenleistung von den Einzelnen bei der Suche nach angemessener Besch�ftigung. �F�rdern und Fordern� wurde zur Leitlinie des eingeleiteten Reformprozesses. Das neue Credo war die Aufnahme von Arbeit, statt die Ruhigstellung in F�rderprogrammen.

Dieser L�sungsansatz f�hrte Deutschland aus einer schweren wirtschaftlichen Krise mit Rekordarbeitslosigkeit heraus. Zwar bis heute heftig umstritten, hat die Agenda-Politik den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht nur �konomisch effizienter gemacht, sondern auch chancengerechter und sozial sicherer. So ist es Deutschland als einzigem Land der Europ�ischen Union gelungen, von 2007 bis 2012 die Erwerbslosigkeit deutlich zu senken und die Zahl der Besch�ftigten auf ein neues Rekordniveau zu steigern. Flexiblere Besch�ftigungsmodelle haben daran einen wichtigen Anteil. Aber dennoch sind die meisten der neuen Stellen durch regul�re sozialversicherungspflichtige Besch�ftigungsverh�ltnisse entstanden.

萤石Als wichtigste Erfahrung bleibt:政治工作lichkeit nachhaltig ver�ndern, wenn sie trotz aller Kompromissnotwendigkeiten mit Mut und Konsequenz an den gro�en Zielen festh�lt. Der eigentliche Erfolg der �Agenda 2010� liegt darin, dass es gelungen ist, unser Land mit diesem Programm an die ver�nderte Wirklichkeit einer globalisierten Welt heranzuf�hren. Insofern war diese politische Strategie auch kein �Angriff auf den Sozialstaat�, sondern im Gegenteil der Versuch, angesichts weltweit ver�nderter Rahmenbedingungen gr��ere Flexibilit�t mit einem hohen Ma� an sozialer Sicherheit zu verbinden.

Zehn Jahre nach der Formulierung der �Agenda 2010� ist es jetzt an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Leitgedanke einer solchen �Agenda 2020� muss es sein, Deutschlands Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Gesellschaft demografiefest zu machen. Denn dies ist unsere Achillesferse f�r k�nftiges Wachstum, Wohlstand, soziale Sicherheit, die uns lange bevor 2020 zu schmerzen beginnen wird.

Dies erfordert allerdings erneut den Mut, mit mancherlei Tabus zu brechen: Unser Bildungssystem schafft keine ausreichende Chancengerechtigkeit. Die Familienpolitik mu� die Kinderbetreuung so organisieren und die steuerlichen Anreize so setzen, dass Berufst�tigkeit familiengerecht m�glich ist. Wir brauchen die qualifizierten Frauen f�r F�hrungspositionen in Wirtschaft und Gesellschaft. Die �ltere Arbeitnehmer wollen Respekt und ihren Anteil am Arbeitsmarkt der Zukunft. Wir m�ssen ethnische Vielfalt jenseits von Integration zulassen und ben�tigen eine am Arbeitskr�ftebedarf orientierte Steuerung der Zuwanderung und in der Konsequenz auch ein neues Einb�rgerungsrecht.

Diejenigen, die sich heute auf die �Agenda 2010� berufen und deren Erfolge r�hmen, w�ren glaubw�rdiger, wenn sie sich zugleich f�r eine solche mutige Fortschreibung engagieren k�nnten. F�r die Regierungserkl�rung nach den Wahlen vom 22. September ist dies eine Notwendigkeit. Erst wenn von dort das Signal ausgeht: �Fortsetzung folgt�, haben Politik und Gesellschaft letztlich das Kernanliegen der �Agenda 2010� verstanden: Mut zur Ver�nderung!

Ein solcher neuer konzeptioneller Kraftakt ist auch im europ�ischen Interesse. Denn dieses Europa braucht dringend F�hrung durch Taten � nicht durch eine Politik, die sich selbstzufrieden gibt und anderen als Lehrmeister erscheint.

Professor Dr. Klaus F. Zimmermann ist Direktor des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn, das wichtige Teile der Arbeitsmarktreformen der �Agenda 2010� wissenschaftlich begleitet hat.


Reprinted with permission.

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