Teurer Traum

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September 12, 2011, Wirtschaftswoche

(Gastbeitrag von Klaus F. Zimmermann zum bedingungslosen Grundeinkommen)

Es ist eine sch�ne Gesellschaftsvision, was da von konservativen, gr�nen oder linken Politikern gleicherma�en seit Jahren propagiert wird: Jeder B�rger bekommt unabh�ngig von seinen sonstigen pers�nlichen und wirtschaftlichen Verh�ltnissen lebenslang jeden Monat aus der Staatskasse ein Existenz sicherndes gesetzlich garantiertes Grundeinkommen, das an keinerlei Bedingungen oder Gegenleistungen gekn�pft ist. Je nach Modell soll dieses �B�rgergeld� zwischen 700 und tausend Euro betragen. Alle anderen bisherigen Sozialleistungen w�rden dadurch ersetzt.

Doch leider h�lt diese revolution�re Idee weder den �konomischen noch den gesellschaftlichen Realit�ten stand. Denn der Einkommenstransfer w�rde nach aller �konomischer Erfahrung die Arbeitsbereitschaft �ber alle Einkommensstufen hinweg fl�chendeckend reduzieren. Berechnungen haben so ergeben, dass sich dadurch die Zahl der Transferempf�nger selbst bei einem sparsamen Modell gegen�ber dem Status quo ungef�hr verdoppeln k�nnten.

Und in der politischen Realit�t w�rde es wohl kaum zur Abschaffung aller Sonderregelungen kommen. So sind die bisher bekannten Modelle schlicht nicht finanzierbar oder sie entfalten wegen der erforderlichen Gegenfinanzierung deutlich negative Besch�ftigungswirkungen. Das wurde f�r Deutschland bereits vielfach nachgerechnet - zuletzt 2008 im Jahresgutachten des Sachverst�ndigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Die Finanzierung soll neben der Abschaffung der Sozialleistungen durch �nderungen im Steuersystem sichergestellt werden. Die einen pl�dieren f�r eine massive Anhebung der indirekten Konsumsteuern � so der Unternehmer G�tz Werner, der sich vom Grundeinkommen ein �neues gesellschaftliches Klima� erhofft. Andere wie der fr�here CDU-Politiker Dieter Althaus wollen das �solidarische B�rgergeld� vor allem durch eine weitreichend reformierte Einkommensbesteuerung finanzieren, die faktisch einer massiven Steuersenkung gleichk�me.

Nach Berechnungen des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) w�rde beispielsweise das Althaus-Modell eine Finanzierungsl�cke von mehr als 200 Mrd. Euro pro Jahr hervorrufen. Darin sind die mit der Steuersenkung verbundenen potenziell positiven Besch�ftigungseffekte schon eingerechnet. Sie sind aber mit gut 600.000 in Vollzeit�quivalenten gerechneten Jobs bei weitem geringer als sie sein m�ssten, um das bedingungslose Grundeinkommen in dieser Form zu einer selbsttragenden Angelegenheit zu machen. Umgerechnet entspricht dies einem F�rderbetrag von 533.000 Euro pro zus�tzlichem Job und Jahr � eine neue gewaltige Subventionsmaschine w�rde angeworfen. Um ein Steuer- und Beitragsaufkommen in der Gr��enordnung von 200 Mrd. Euro zu generieren, m�ssten knapp 12 Mio. zus�tzliche sozialversicherungspflichtig Besch�ftigte mit dem aktuellen Durchschnittsverdienst auf dem Arbeitsmarkt aktiv werden. Dies erscheint angesichts von aktuell gut 28 Mio. solcher Besch�ftigten schlicht unvorstellbar.

Im间beruht死观念des bedingungslosen Grundeinkommens auf der irrigen Annahme, dass es nicht gen�gend Arbeit gebe. Das Gegenteil ist aber richtig. Vor allem im Dienstleistungsbereich liegen noch viele Potenziale brach. Es gibt also durchaus gen�gend existenzsichernde Arbeitspl�tze in der Marktwirtschaft. Viele Arbeiten m�gen zwar anstrengend und unangenehm sein, trotzdem m�ssen sie erledigt werden. Dass die Arbeitslosigkeit unter gering Qualifizierten besonders hoch ist, ist kein Beweis daf�r, dass es keine Nachfrage nach einfachen Jobs gibt, sondern liegt daran, dass es sich finanziell oftmals nicht gen�gend lohnt, solche Jobs anzunehmen. Die Debatte um den Fachkr�ftemangel der Zukunft spricht dar�ber hinaus nicht daf�r, dass es uns generell an Arbeitsnachfrage fehlen wird.

Nicht zuletzt ist die Diskussion um ein Grundeinkommen auch gesellschaftspolitisch problematisch. In der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik hat Deutschland mit dem durchaus qu�lenden Reformprozess unter dem Stichwort �Agenda 2010� im zur�ckliegenden Jahrzehnt das Prinzip des �F�rderns und Forderns� zum Grundprinzip gemacht. Staatliche Leistungen werden an klare Gegenleistungen und Erwartungen an die Transferempf�nger verkn�pft. Dazu geh�rt der Arbeitswille. Diese Maxime hat wesentlich zum aktuellen besch�ftigungspolitischen Erfolg unseres Landes beigetragen, der als �neues deutsches Wirtschaftswunder� inzwischen weltweit Beachtung findet.

Die Idee vom �bedingungslosen� Grundeinkommen l�st dieses Leitprinzip aber wieder auf; sie stellt diese erfolgreiche Philosophie sogar geradezu auf den Kopf und gaukelt den B�rgern die M�glichkeit eines anstrengungslosen Lebens vor. Statt einen solchen radikalen Bruch zu riskieren, ist es viel eher notwendig, angesichts der bekannten demografiebedingten Herausforderungen f�r unseren Arbeitsmarkt wie die sozialen Sicherungssysteme den m�hsam gefunden Reformweg konsequent weiterzugehen. Das hei�t im Grundsatz eben auch: Keine Leistung ohne Gegenleistung.

Die sch�ne Idee vom staatlichen Grundeinkommen f�r alle hat hingegen ihren Praxistest nicht bestanden. Sie sollte vielmehr bleiben, was sie ist: Eine, wenn auch verf�hrerische Utopie � aber keine Alternative zu unserem deutschen Sozialstaatsmodell. Der Sachverst�ndigenrat hat seine kritische Position zum B�rgergeld 2008 in der Schlussbemerkung zu Recht so zusammengefasst: "Es mag unfair und beckmesserisch erscheinen, sozialpolitische Utopien an den Widrigkeiten der Realit�t zu messen. Aber die Steuer- und Sozialpolitik ist nun einmal kein Wunschkonzert."


Reprinted with permission.

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